Am Montag feiert die Koalition ihr Einjähriges – zu diesem Anlass bewertete eine Runde aus namhaften Meinungsforschern und Politikexperten für die „Krone“ die Leistungen der Regierungsmitglieder im ersten Jahr Türkis-Blau. Ein Überblick, wer auf- und wer abstieg, wer strahlte und wer blass blieb – inklusive Durchschnittsnote der Experten.Artikel teilen
Ex-Schüssel-Beraterin Heidi Glück, der SPÖ-nahe PR-Mann Josef Kalina, Ex-Ministerin sowie Meinungs- und Motivforscherin Sophie Karmasin und Politikberater Thomas Hofer zogen für die „Krone“ eine Bilanz des ersten Regierungsjahres.
„Strache fühlt sich sichtlich wohl“
Er brauchte etwas Zeit, legte dann aber seine Rolle als Polterer doch ab. So lautet, kurz zusammengefasst, das Expertenurteil über das erste Regierungsjahr von Heinz-Christian Strache. „Strache wirkt angekommen, er fühlt sich mittlerweile sichtlich wohl in seiner Rolle“, analysiert Karmasin. Der FPÖ-Chef habe aus Fehlern wie der nächtlichen Facebook-Attacke gegen ORF-Mann Armin Wolf gelernt und verhalte sich nun ruhiger, Konflikte „tariert er gut aus“.
Zwar hat Strache mangels reformpolitisch bedeutsamer Zuständigkeiten (Beamte und Sport) inhaltlich keine großen Sprünge gemacht, laut dem auf Meinungsforschung spezialisierten PR-Berater Kalina punkte er aber mit Ausstrahlung: „Den Leuten taugt das, wenn sie sehen, dass jemand mit sich im Reinen ist. Diese Zufriedenheit geht auf viele FPÖ-Wähler über, die so bei der Stange gehalten werden.“
Weil Strache sich aber neben der Harmonie auch blauen Stammwählern zuwenden muss, ist er laut Hofer „die fleischgewordene Gratwanderung“. Straches stärkster Moment 2018 laut Kalina: „Als er sich im Jänner beim Burschenschafter-Ball hingestellt hat und dem Antisemitismus eine Absage erteilte. Das war klug und mutig.“ Note: 2,25
Der erste Offizier von Sebastian Kurz
Kanzleramtsminister Gernot Blümel gehört ohne jeden Zweifel zu den stärksten Ministern dieser Regierung, darin sind sich die Beobachter völlig einig. Am ehesten strahlte der türkise Schlüsselspieler noch neben Kurz – „auch, weil er zu den wenigen gehört, die auch strahlen dürfen“, resümiert Karmasin: „Blümel macht das wirklich sehr gut, ist stets auf Linie und hat doch eine gewisse Eigenständigkeit. Schlagfertig, lässig.“
Glück nennt ihn „die mit Abstand stärkste Stütze von Kurz“, für Kalina ist der Niederösterreicher „der unumstrittene Ausputzer des Kanzlers“ und laut Hofer schlichtweg „wichtigster Kurz-Mann“. Blümels Meilensteine: Abwicklung der EU-Ratspräsidentschaft, Medien-Enquete und das Haus der Geschichte. Er könnte nach der Wien-Wahl zum Aufbau türkiser Strukturen in die Stadtpolitik wechseln – „für Kurz ist er vermutlich aber unverzichtbar“, behauptet Glück. Note: 1,5
„Sie schoss sehr oft auf das eigene Tor“
Neben Herbert Kickl steigt die blaue Sozialministerin in der Expertenbewertung am schlechtesten aus. Die Gründe mögen vielfältig sein, Josef Kalina nennt einen ungewöhnlichen: „Beate Hartinger-Klein kennt sich in der Sache aus, das ist vielleicht ihr Problem. Sie neigt zu Schnellschüssen.“ Gepaart mit chaotischer Kommunikation, einem SPÖ-dominierten Haus und de facto allen großen Reformen in ihren Händen führte dies dazu, dass sie „von einer Panne zur nächsten eilte“.
Vor allem in den ersten Monaten gab es laut Hofer Phasen, „in denen sie mit jedem Interview mehr Verwirrung stiftete“. Laut Karmasin steht sie vor allem wegen ihres Sagers, 150 Euro reichten monatlich zum Leben, im Verdacht, „sozial kalt zu sein“. Debatten um populäre Reformen wie jene der Kassen liefen laut Hofer ihretwegen oft aus dem Ruder. Als Beispiel dient ihm ein Fußballspiel: „Die Opposition war kaum je auf dem Platz, trotzdem kassierte die Regierung Tore. Und zwar, weil vor allem Hartinger-Klein oft auf das eigene Tor schoss.“ Note: 4,25
Minister Hartwig Löger, oder: der Anti-Grasser
Für Josef Kalina ist Finanzminister Hartwig Löger ein Faszinosum: „Ich kann mich wirklich an kaum einen Finanzminister erinnern, der so unprätentiös ist und sich nicht in den Vordergrund drängt.“ Löger mische sich nicht in Debatten ein, hege kaum politische Ambitionen und agiere „stets als nüchterner, sachlicher Experte“, so Kalina. „Das gab es bei Finanzministern, die neben Kanzlern die mächtigsten Politiker sind, nie.“
Hofer pflichtet bei: „Löger spielt seine unauffällige Rolle perfekt. Oft sind Finanzminister eitel und mögliche Gegenmarken eines Kanzlers, man denke nur an Androsch, Grasser oder Schelling.“ Einigkeit herrscht darin, dass es ein kluger Schachzug war, Kanzleramt und Finanz in einer Partei zu vereinen. „Diesen Konstruktionsfehler aus Rot-Schwarz hat man vermieden“, so Kalina. Karmasin findet Löger „sympathisch unauffällig“, ein „Zahlenfuchs“ sei er. Die Digitalsteuer scheiterte, dafür punkte er (neben Kurz) mit dem Familienbonus und dem Nulldefizit. „Seine Stunde der Wahrheit kommt aber noch“, mahnt Glück: „Das wird die Steuerreform.“ Note: 2,25
Schwieriges Jahr für Moser
Justizminister Josef Moser drückt sich – das konstatierte die Expertenrunde unisono – nicht immer ganz klar aus. „Man versteht leider oft nicht, was er uns sagen will“, erklärt Glück. „Dabei stellte man an ihn neben Kurz die höchsten Erwartungen, weil er als Rechnungshof-Chef jahrelang allen erklärt hat, wie es gemacht gehörte. Diese Erwartungen hat er bislang nicht erfüllt.“
Die große Föderalsimsmusreform ist mit Ausnahme einer Kompetenzbereinigung noch nicht gelungen, sagt Karmasin. „Hängen blieb ein Streit mit dem Finanzminister, ein No-Go in dieser Regierung.“ Dabei hatte Moser laut Hofer „als einer der wenigen ein Image – „er hat aber einen schweren Stand, weil er als Ex-FPÖ-Mann von vielen Blauen als Verräter gesehen wird und in der ÖVP die Länder gegen sich hat.“ Note: 3,5
Kennen Sie diesen Mann?
„Ich finde es ja fast schon originell: Da gibt es einen Politiker, der öffentlich de facto gar nicht auftritt.“ Das sagt Karmasin über den freiheitlichen Finanzstaatssekretär Hubert Fuchs. Hofer sieht dies kritisch: „Natürlich werkt er hinter den Kulissen an der Steuerreform, aber für reine Sacharbeit im Hintergrund gibt es eigentlich Beamte.“
Wenig überraschend ist Fuchs laut Kalinas Umfragen “der mit weitem Abstand unbekannteste aller Regierungspolitiker„ – die Mehrheit der Österreicher kennt ihn nicht. Note: 3,25
Ministerin in der Defensive
Familienministerin Juliane Bogner-Strauß zog in ihrem ersten Jahr Kritik von Frauenorganisationen auf sich. „Ich sage es einmal so: Im Verdacht, eine glühende Feminstin zu sein, steht sie nicht“, sagt die ÖVP-nahe Glück. Laut Karmasin macht ihre Nachfolgerin als Ministerin „Verteidigungspolitik“.
Vom Familienbonus profitiere sie nicht, „denn den verkaufen Kanzler und Finanzminister“. Hängen blieb laut Karmasin ein Streit um Kindergarten-Finanzen mit den Ländern – bei dem sie den Kürzeren zog. Note: 3,25
„Sie beherrscht ihr Geschäft“
Die Außenministerin, die von Strache als „weiblicher Kreisky“ geadelt wurde, wird differenziert wahrgenommen. Experten bescheinigen ihr „eine hohe Expertise in Diplomatie“, laut Hofer „beherrscht Karin Kneissl ihr Geschäft einwandfrei“. Aber: Kneissls Hochzeit mit dem Auftritt Putins habe ihr geschadet.
Generell habe sie es – trotz Erfolgen als Brückenbauerin im Nahen Osten und in Russland – neben „Außenminister-Kanzler Kurz“ und EU-Minister Blümel schwer. Als Integrationszuständige trat sie laut Karmasin kaum auf. Note: 3